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Petra flog mit

       copyright: © Lilo Rix, November 2o19

Der Tag der Abreise war da. Mit gepackten Koffern lauerten drei uraubsfreudige, zuweilen verträumt das Ziel vor Augen, auf das bestellte Taxi. Mutters lädierte Hüfte knirschte, während sie zum qualmenden Alban schlich.
 
"Warum fährt diese Petra eigentlich mit?" flüsterte sie vernehmbar.
 
"Warum so' sie nich?" gab Alban grunzend zur Antwort. Er pustete Zigarettenrauch weit von sich. Sein Kopf schmerzte. Seine Blase füllte sich vor Aufregung in immer geringeren Abständen. Auf dem Weg zum Klo drückte er Petra einen durchsichtigen Kuss auf die Wange. Erfreut über diese Geste, stibitzte sie schelmisch eine Filterlose aus seiner Hemdtasche. Drehte sich auf dem Absatz um, blickte auf Mutter.
 
"Sie können doch hier bleiben, wenn Ihnen meine Gesellschaft nicht passt. Haben Sie Angst um Ihren Sohn?"
 
"Nee, das nich - er braucht mich doch," Mutter reckte ihren Kopf. Sie verstand nicht so recht und blickte auf die Grauhaarige hinunter.
 
"Ohne mich geht bei ihm ja gar nichts."
 
"Verstehe ich jetzt nicht," entfuhr es Petra - ihr Herz klopfte bis zum Hals. "Ich weiß doch, dass er allein nicht zurecht kommt - und eines Tages hab' ich ihn auch nötig - sehr sogar! Bin ja nun nicht mehr die Jüngste, nä!? Ist sein Haus ma' fertig, zieht hier bei mir ja 'ne Krankenschwester ein - die kann Alban denn helfen - bei der Flege, nä!" Mutter deutete mit dem von Gicht befallenen, krummen Zeigefinger auf Albans jetzige Behausung, streifte spöttisch, grinsend Petras ungläubigen Gesichtsausdruck.
 
"Das wird sich noch zeigen! Schließlich ist er ein erwachsener Mann, bestimmt über sich alleine und sicher weiß er auch, was ihm gut tut! Und durch Ihre Unterdrückung, Ihrer Affenliebe - Alban darf ja nicht mal laut werden, nicht mal wütend werden, ohne dass Sie gleich diese Unart an ihm korrigieren - ist er doch zum Schlappschwanz geworden!" Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn. Aufgebracht bückte sie sich nach dem kleinen, schwarzen Rucksack, den sie auf den Gehwegplatten abgestellt hatte. Ein kurzer Griff in die Innentasche genügte, um beruhigend festzustellen, dass die kleine Schachtel noch dort lag, an der sie am Abend zuvor von ihr verstaut wurde.
 
In der Charterhalle checkten drei "Aufgeregte" ein - warteten geduldig auf die Aufforderung die Kontrollkabine zu passieren. Mit ihrem Sohn in Eintracht auf der Bank sitzend, blickte Mutter stumm in der Gegend herum, ihre Handtasche fest in den Schoß gedrückt. Petra zog sich auf einen gegenüberstehenden freien Platz zurück. Ihre, in stramm sitzenden weißen Jeans, überschlagenden Beine fingen an zu kribbeln, sodass sie mal das linke und das rechte Bein kreuzte.
 
"Bist du nervös?" flötete Mutter. Petra überflog Mutters Kopf mit starrem Blick und dachte: "Warte ab, du alte Hexe. Du wirst dich noch umgucken. Und warum duzt die mich eigentlich!"
 
"Muddi hattich was gefracht," Alban schob seinen massigen Körper leicht vor. Daraufhin schüttelte sie nur den Kopf und blickte seinem Rauch hinterher.
 
Auf Mallorca:
 
Endlich! Zwar immer noch gereizt über zu viel Warterei, schnappte Alban kraftstrotzend seinen schwarzen Stoffkoffer vom Laufband. Petra schaute wirr dem Gewusel hinterher und fühlte sich erleichtert, als auch ihr Koffer durch die Gummilappen gespuckt wurde. Alban knurrte - hustete in die hohle Hand - wischte sich diese am Hosenbein ab - stieß Mutter mit den Worten an: "Wo is nu dein Koffä?"
 
"Weiß ich doch nicht - finde du ihn doch auf diesem blöden Karussell!" Sie konnte sich ums Verrecken nicht mehr an die Farbe ihres Gepäcks erinnern. Das schwarze Laufband drehte noch zwei Ehrenrunden.
 
"Das ischa idiotisch - das Band ischa viel zu schn...!" Er ließ sich aus der Fassung bringen, bis ein kleiner, runder grauhaariger Herr, in ein farbenfrohes Hawaiihemd gehüllt, sich erdreistete und Alban lauthals anschrie:" Beherrschen Sie sich mal!"
 
Im Hotel:
 
Um siebzehn Uhr reichte der Portier ihnen zwei Zimmerschlüssel - Mutter und Alban nahmen sie entgegen.
 
Petra riss die Flügeltüren zur Seite, gab über den Ausblick mit kindlichem Gebaren ihrer Freude Ausdruck. Zwischen terrassenförmig angelegten Anlagen, schwungvoll verlaufenden Steintreppen, von bepflanzten Terrakottatöpfen gesäumt, in felsige Steinwände gerahmt, lag ebenso der hauseigene Pool. Drei weiß leuchtende Jachten dümpelten in der Ferne vor sich hin.
 
Alban schob Mutter in ihr Zimmer. "Was machen wir jetzt?" klang ihre helle, dehnende Stimme.
 
"Waht's ap," er zog die Tür hinter sich ins Schloss und betrat stöhnend sein Zimmer. Petra genoss mit geschlossenen Augen sonnenumwobene Winde auf ihrer Haut und träumte: "Oh, hier möcht' ich bleiben, möchte nie wie...."
 
"Jo, sieht hüpsch aus,"tonlos holte Alban sie aus träumender Schwärmerei in seine Gegenwart zurück. Stand groß und platzeinnehmend neben ihr. Sie schlang ihre Arme um ihn - bezirzte ihn mit süßlichem Klang in der Stimme.
 
"Späder," gab er kurz zur Antwort - schob sie zur Seite. "We ers ma Muddi fragen ob sie was essen we oder so!"
 
Später - später - dieses Wort umkreiste sie ähnlich einer lästigen Fliege. Gedankenversunken streichelte sie die Schachtel. Sie würde schon eine Gelegenheit finden, um Alban an sein "später" zu erinnern.
 
Mutter hatte Hunger - einen "Bärenhunger".
 
"Glaup ich dir Muddi. In "good old Djermenie" hast ja immer feste Zeit'n, nä? Wackelte mit ihr, Petra vollkommen vergessen, zum Fahrstuhl.
 
Würdevoll schritt Petra die großzügige Treppe hinab - das ärmellose schwarz-rote Sommerkleidchen stand ihr gut! Verfolgt von ungenierten Blicken, nahm sie lächelnd, mit leicht zur Seite geneigtem Kopf, das: "Buenos Dias" entgegen.
 
Vor dem Speisesaal traf sie auf Mutter im Einklang mit ihrem Alban. Verführerische Wohlgerüche inhalierend, musste Alban unentwegt Speichel schlucken. Er konnte es kaum erwarten, sich in die Schlange der blassen Neuankömmlinge einzureihen. Socken über unförmige Füße und in Sandalen versteckt - speckige Oberarme - Achselhaar aus Stoff quellend - so strömten die Massen zum Büfett. Männerwaden nahmen sich die Freiheit, wie Kartuschen aus kurzen, gemusterten Shorts zu schießen; fühlten sich fern der Heimat zu Allem bereit.
 
Dunkelrot leuchtete der Wein in der Karaffe. Junge, gut bebaute Kellner schwebten eifrig sowie auch freundlich durch den großen Saal. Petra schenkte jedem ein Glas ein.
 
"Ich will aber erst zum Klo!" Scharrend rückte Alban seinen Stuhl zurück. Begleitete Mutter durch den Speisesaal.
 
'Jetzt,' dachte Petra, 'jetzt ist die Gelegenheit' und schüttete das Pulver in Mutters Weinglas - rührte gefühlvoll mit dem Teelöffel, der an ihrem Platz lag, um. Wild pochte es in ihrer Brust - aufgeregt ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und umklammerte die Sitzfläche. Einmal tief durchgeatmet - schon bemerkte sie die beiden. Mutter hing an ihrem Sohn - er zog sie ganz sacht über südländische Fliesen.
 
"Prost," Petra erhob ihr Glas. Mutter nippte an dem wohltemperierten Wein.
 
"Na, schmeckt's?" grölte Alban über den runden Tisch.
 
"Ja! Rotwein schmeckt ja immer, nä!"
 
Die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, schaufelte Alban seinen, mit köstlichen Kleinigkeiten angehäuften Teller leer.
 
Auch Mutter führte den Mund zum Teller.

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Lilo Rix

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