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Perlen

       copyright: © Gabi Philippi, November 2o19

Es muss sein, sagte ich mir. Ich steckte meinen kostbarsten Schmuck, eine lange Kette aus grauen Südseeperlen, in meine Handtasche und verließ das Haus. Entschlossen machte ich mich auf den Weg zum Juwelier Steinbach, der jeden Freitag eine "Goldstunde" für seine Kunden abhielt. Sofort Bargeld! Wir zahlen faire Preise! Vor mir warteten noch drei Kunden. Ich setzte mich auf einen freien Sessel und betrachtete beklommen meinen Schatz, von dem ich mich nun trennen sollte.
 
An meinem 50. Geburtstag hatte ich ein kleines Fest gegeben und dazu auch meine Freundin Irene eingeladen. Alleinstehend, stets extravagant gekleidet, weitgereist war sie stets der Paradiesvogel in meiner biederen Hausfrauenrunde.
 
Als alle Gäste am Kaffeetisch saßen, holte sie ein schön verpacktes Kästchen aus ihrem Koffer und legte es vor mich hin. Aus Tahiti, sagte sie. Was ganz Besonderes.Der Verschluss ist Weißgold, sagte Irene. Mein Gott, murmelte ich betroffen, so was Edles hab ich ja noch nie besessen!
 
Na ja, sagte Irene, es ist ja auch ein runder Geburtstag. Alle nickten zustimmend und bewunderten reihum die Kette.
 
Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll. Das ist mir richtig peinlich! Nein, nein, das braucht es nicht, sagte Irene, die hab ich vor ein paar Jahren gekauft und nie getragen, jetzt sollst du sie haben. Sie passt zu deinen Augen. Sie stand auf und legte mir die Kette um. Ich fühlte mich wie eine Königin bei der Krönung. Sie steht dir wirklich sehr gut, sagte mein Mann und alle nickten wieder. Die hat bestimmt tausend Euro gekostet, hörte ich meine Schwägerin flüstern. Ich erschrak. So viel? Wieso schenkte mir Irene so was Teures?
 
Ich freute mich auf den ersten Theaterabend, an dem ich die Kette tragen würde. Mein kleines Schwarzes sah jetzt erst richtig vornehm aus. Und ich, ich bewegte mich ganz anders als sonst : Elegant, selbstbewusst. Während des Abends griff ich wieder und wieder an meinen Hals und prüfte, ob sie noch da war.
 
Irene hatte mich früher eher selten besucht. Wegen meiner großen Familie hatte sie mich immer ein wenig belächelt und sich selbst glücklich gepriesen, frei und unabhängig zu sein .Jetzt kam sie häufiger und blieb länger als mir lieb war. Mein Mann, der sie nicht besonders schätzte, stöhnte. Aber wir schwiegen , durch das überaus großzügige Geschenk zur Dankbarkeit verpflichtet.
 
Doch nun war ich in finanziellen Nöten. So schwer es mir fiel, ich musste die Kette verkaufen. Die Kundin vor mir steckte gerade zufrieden 600 Euro in ihren Geldbeutel. Jetzt war ich an der Reihe.
 
Ich legte die Kette sorgsam in die bereitstehende mit blauem Samt überzogene flache Schale. Aus Tahiti, sagte ich. Der Verschluss ist Weißgold. Der alte Juwelier nahm seine Lupe, betrachtete Perlen und Verschluss unter dem Schein einer hellen Lampe. Ich hielt den Atem an. Der Mann schob die Schale mit dem Schmuck zu mir hin , schaute mir ins Gesicht und sagte: Mit der Kette kann ich nichts anfangen.
 
Ich schnappte nach Luft. Wie bitte?
 
Das sind keine echten Südseeperlen. Das ist billigste Fabrikware! Sehen Sie mal, eine Perle ist so groß wie die andere. Und der Verschluss ist auch kein Weißgold. Das ist Silber. Tut mir leid, vielleicht kriegen Sie ja auf dem Flohmarkt noch 20 Euro dafür. Haben Sie sonst noch was dabei?

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       copyright © by: Gabi Philippi, November 2o19.
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Gabi Philippi

Hat uns mit literarisch echten Perlen erfreut.


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