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Eine Krankengeschichte - meine Krankengeschichte

       copyright: © Aurelia L. Porter, April 2o14

Ich habe Schreiben.
 
Die Diagnose:
 
Influenza Autoris Modler - benannt nach dem Entdecker des Autoren-Virus Michael Modler, seines Zeichens Autor, Blogger und Gründer einer Selbsthilfegruppe für Schreibinfizierte - ein Seelenverwandter und Leidensbruder.
 
Wer von Ihnen also ebenso wie ich unter Influenza Autoris - umgangssprachlich auch: Schreiberitis - leiden sollte und schnelle Hilfe benötigt, wende sich im Internet bitte an Michael Modler unter www.influenza-autoris.de
 
Aber eines muss ich Ihnen leider jetzt schon mitteilen: Die Influenza Autoris ist nicht heilbar - und nur sehr schwer therapierbar!!!
 
Zum Trost lassen Sie sich gesagt sein, dass ein Leben mit Schreiben dennoch möglich ist, wenn auch mit starken Einschränkungen und Beeinträchtigungen des unmittelbaren Umfeldes.
 
Die Anamnese:
 
Die Influenza Autoris hat mich an einem kalten Januarmorgen vor 9 Jahren erwischt. Ich hatte sie nicht kommen sehen, war ihr also schutzlos ausgeliefert gewesen. Der Schreibvirus überfiel mich auf ganz heimtückische Art, nämlich hinterrücks, beim Aufräumen einer Schreibtischschublade.
 
Die ersten Tage nach der Infektion bemerkte ich lediglich eine gewisse innere Unruhe, gepaart mit zeitweiliger Geistesabwesenheit.
 
Nur wenig später geriet mein Zeitempfinden durcheinander und es fiel mir immer schwerer, den täglichen Dingen des Lebens nachzukommen. Verwirrtheitszustände setzten ein.
 
Doch es sollte noch ein halbes Jahr dauern, bis die Krankheit so richtig zum Ausbruch kam.
 
Derweil nahmen mich Gedanken gefangen, Gedanken, zu denen sich rasant immer neue gesellten. Schon bald war mein Geist von einer Geschichte umnebelt, die mich bis heute nicht mehr loslässt. Sie beherrscht mein Leben.
 
Um mich von ihr zu befreien, entschloss ich mich, sie niederzuschreiben - nicht ahnend, dass dieses zwar das Symptom der inneren Unruhe lindern, aber dem Virus erst recht Nahrung geben würde.
 
Mit dem Schreiben des ersten Satzes kam die Influenza Autoris dann endgültig zum Ausbruch. Tage- und nächtelang saß ich wie paralysiert und mit starrem Blick vor meinem Laptop, nur die Finger tanzten gehetzt über die Tastatur, sodass ich darüber sogar das Essen und Trinken vergaß. Erst als mein Körper zu schlottern begann, suchte ich gegen 4 Uhr in der Früh völlig entkräftet mein Bett auf. Dort wälzte ich mich noch eine Zeit lang im fieberhaften Wahn bis Morpheus mich endlich gnädig umschlang.
 
Am nächsten Morgen erwachte ich meist völlig zerschlagen. Aber nach mehreren Bechern starken Kaffees und der überaus lästigen Erledigung einiger unumgänglicher Alltagspflichten, zog es mich kurz darauf wieder zurück an die Foltermaschine namens Laptop. Wie Magnete wurden meine Finger von der Tastatur angezogen und brachten Wundersames auf das jungfräuliche Word-Dokument.
 
Schließlich griff der Virus auch auf meinen Geist über, machte ihn völlig willenlos, sodass schon bald meine Romanfiguren die Herrschaft übernahmen. Ich war nicht mehr als ein Erfüllungsgehilfe, brachte zu Papier, was sie mir diktierten, war nichts als ein bloßes Werkzeug in unsichtbaren Händen.
 
Geradezu zwanghaft wiederholte sich diese Prozedur Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Die eindeutigen Merkmale von Suchtverhalten waren nicht mehr zu leugnen.
 
Vier Jahre lang lebte ich in diesem Zustand seelischer Geiselhaft, bis ich eines Tages eine Radikalkur wagte. Ich entschloss mich ... zu veröffentlichen!
 
Wenn ich die Ausgeburten meiner Wahnvorstellungen erst einmal zwischen zwei Buchdeckel presste, sie dort gefangen hielte und einer Öffentlichkeit preisgäbe - so dachte ich in meiner Naivität -, dann würden die Plagegeister mich endlich in Ruhe lassen und mir mein altes Leben zurückgeben.
 
Mittlerweile habe ich 3 Roman-Bände veröffentlicht, 2 weitere Manuskripte liegen bereit, der 6. Band ist zur Hälfte geschrieben, nach Band 7 ist endgültig Schluss.
 
Zugegeben: Meine klägliche Selbsttherapie brachte gewisse Erleichterung, aber mein altes Leben habe ich nicht wieder zurück.
 
Wer sich einmal mit der Influenza Autoris infiziert hat, bei dem nistet sich der Virus ein Leben lang ein. Nur an den Symptomen kann man hier und da ein wenig herumtherapieren.
 
Inzwischen lebe ich mit dieser Krankheit ganz gut. Sie bestimmt nicht mehr ausschließlich meinen Alltag, sondern gibt ihm Sinn und Struktur. Meine Romanhelden sind mir zu guten Freunden geworden, auch wenn sie mir zuweilen auf die Nerven gehen. Doch welche Freunde tun das nicht ab und zu?
 
Die Schreiberitis hat mein Leben verändert, das ist wahr - vor allem aber hat sie mein Leben bereichert, schon allein dadurch, dass ich sehr liebenswerte Leidensgenossen kennengelernt habe, die ich nicht mehr missen möchte.
 
Wie oder bei wem ich mich damals infizierte, weiß ich nicht zu sagen. Aber ich sage: DANKE! dafür.
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       Aurelia L. Porter www.aurelia-porter.jimdo.com
       Mit freundlicher Genehmigung von Michael Modler www.influenza-autoris.de
       "Ein Leben mit Schreiben ist möglich"


copyright © by: Aurelia L. Porter, April 2o14).
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Aurelia L. Porter

An "Schreiben" erkrankte Roman-Autorin.


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