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Autorenlesung im Sitzen

       copyright: © Woody Wonder, März 2o13

Frei nach Otto Reutters "Der gewissenhafte Maurer - Nu fang wa gleich an!"

     Um 8 soll er anfang'n - die Stunde vergeht,
     da kommt unser Autor. Ich sage: "S'ist spät!".
     "Nö", sagt er, "halb neun - ist die richtige Zeit.
     Der Weg ist das Ziel. Und ich wohne sehr weit.
     Woll'tn Autobus nehmen - keiner zu seh'n,
     ruf'n Taxi. Besetzt. Na, da muss ich doch geh'n.

     Dann das Wetter, die Straßen, das ganze Trara,
     aber Gott sei's gelobt, denn nun bin ich ja da."

          "Und nun", sagt er, "geht's ran.
          Nun fang' wir gleich an."

     Man hilft aus dem Mantel, man fragt nach der Gattin,
     er sucht das Programm und ich halt ihm das Blatt hin.
     Man bringt ihm ein Wasser - er fragt nach `nem Punsch.
     Natürlich erfüllt man ihm schnell diesen Wunsch.
     Ein Mädchen hat vorne am Podiumsrand
     schon Blumen für nach seiner Lesung zur Hand.

     Im Saal wird es still, die Erwartung ist groß.
     Nun ist es soweit denn jetzt liest er gleich los.
     Die Leute, sie lehnen sich wohlig zurück
     und hoffen auf spannendes Vorlese-Glück.

     Sein Tisch auf dem Podium steht schon bereit.
     Der Autor steigt hoch in beachtlicher Zeit.
     Doch Stufen - die Eile - die Nervosität .
     Verdauung hat Vorrang! Bevor es zu spät!
     Da wagen wir lieber kein Druck-Risiko -
     da gehen wir lieber noch vorher aufs Klo.

     Das dauert nicht lange, dann kommt er nach vorn.
     Und ich als Veranstalter krieg' schon ein Horn.

          Ich nenne den Autor - es geht jetzt voran.
          "Meine Damen und Herren - Nun fängt er gleich an."

     Sein Tisch ist gedeckt mit Getränken und Lichten.
     Mit Werken in Prosa und auch mit Gedichten.
     Man hat sich im Voraus Gedanken gemacht.
     Die Auswahl, sie ist literarisch durchdacht.

     Der Autor blickt skeptisch und etwas verlegen
     Das war doch nicht nötig um seinetwegen.
     Dann räumt er den Tisch frei von allem was stört.
     Er lässt nur noch gelten was zu ihm gehört.
     Am Ende ist eines nur übrig geblieben:
     ein mageres Büchlein, das er mal geschrieben.

     Dann stapelt er sein Manuskript in der Mitte.
     Dann sucht er die Brille. Da isse. Na bitte.

     Er nimmt langsam Platz. Und er springt wieder auf.
     Der Stuhl ist zu niedrig. Man kurbelt ihn rauf.
     Zwei Frauen, die kann so was nicht überraschen,
     die nehmen ihr Strickzeug und zählen die Maschen.
     Ein Junge aus Wedel ist auch noch gut drauf.
     Er setzt sich die Kopfhörer halt wieder auf.

     Der sitzende Autor ergreift jetzt gelassen
     den Stapel Papiere - man kann es kaum fassen.
     Man spürt es: jetzt wird nicht mehr lange gefackelt.
     Da fällt es ihm auf, der Tisch, wie der wackelt.

     So nimmt er vom Stapel ein Blatt, macht es klein
     und stopft es sehr sorgfältig unter ein Bein.
     Dann kommt er nach oben - mit zügigem Schwung.
     Das merkt auch sein Kreislauf, der ist nicht mehr jung.

     Der Tisch steht nun fest - doch jetzt wackelt der Autor.
     Ein Gast will jetzt geh'n, und er schiebt seine Frau vor.
     Er drängelt sie umständlich raus aus der Reihe.
     Die Frau stolpert mit und man hört leise Schreie.
     Das Mädchen vorn links mit dem Kornblumenstrauß,
     zieht langsam gelangweilt die Kornblumen raus.
     Von hinten bestellt man sich noch ein paar Gläser.
     Und langsam erholt sich am Tisch unser Leser.

          Und wieder genesen erklärt er sodann.
          "Jetzt fang wir gleich an."

     Sein Ausdruck erstarrt nun in Konzentration.
     Noch einmal beklopft er das Saal-Mikrofon.
     Die Leute erschaudern vom tosenden Krachen.
     Warum kann man so was nicht ohne Strom machen.
     Er fragt in die Runde "Bin ich zu verstehen."
     Die nächsten Besucher stehn auf und woll'n gehen.
     Er hebt beide Hände und bittet zu bleiben.
     "Wir woll'n doch die Hektik hier nicht übertreiben."

     Sein Finger liegt schon auf der obersten Zeile.
     Er hustet noch kurz - also nur keine Eile.
     Man kann schließlich keinem das Husten verübeln,
     Er fühlt seinen Rachen - dann kommt er ins Grübeln.
     Der gestrige Abend - das Dinner an Deck -
     die zugige Luft - seine Stimme ist weg.

     Er hustet noch mal und die Anlage kracht.
     Ein älterer Herr ist ganz unsanft erwacht.
     Es rennt der Veranstalter - Hände am Ringen.
     Ein Tee mit viel Honig, den solle man bringen.
     Der Autor winkt ab - nein, es sei nicht so schlimme.
     Und Honig sei außerdem schlecht für die Stimme.

     Er hustet und räuspert sich, winselt und bellt.
     Das Mikrofon hat man schon runtergestellt.

          Und krächzend ergreift nun das Wort unser Mann.
          "Jetzt fang ich gleich an."

     Das Publikum wünsch ihm recht balde Genesung.
     Man ist nicht mehr ganz so gespannt auf die Lesung.
     Jetzt fängt er fast an - ja, er wirkt wieder frisch.
     Da merkt er, der Anfang steckt unter dem Tisch.
     Ich springe hinzu und entfalte das Blatt.
     Lass wackeln - wenn der nur sein Skript wieder hat.

     Doch wer will's noch hören? Wer hat noch Int'resse?
     Ein Typ aus dem Hafen: "Ach halt doch die Fresse."
     Der Autor ruft: "Kinder, nun macht doch nicht schlapp!"
     Die Leute im Mantel, die winken nur ab.
     Und langsam entleert sich der Zuhörer-Saal.
     Vorbei ist die endlose Vorlese-Qual.

     Nur ich als Veranstalter bin noch vor Ort.
     Ich zahl den Mann aus - denke dabei an Mord.
     Der Autor bedankt sich und röchelt noch keck:

     "Das nächste Mal lassen Sie'n Tisch lieber weg!"


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copyright (C) by: Woody Wonder, März 2o13).
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Woody Wonder

Ehem. Werbetexter
auf dem Weg zur Besserung.


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